Als Mohammed auf der Flucht war und man überall nach ihm suchte, kam Ali, sein Schwiegersohn, auf den rettenden Einfall: Er versteckte den Propheten in einem hohen Tragkorb, lud sich die schwere Last auf den Kopf und balancierte sie zwischen den Wachen des Stadttores hindurch. „Was hast du in dem Korb?“, fragte ihn streng ein Zöllner. „Mohammed den Propheten“, antwortete ihm Ali. Die Wachen, die diese Wahrheit für eine schlagfertige Frechheit hielten, lachten und ließen Ali und den Propheten im Korb passieren.
Die dritte Kardinaltugend neben der Klugheit und der Mäßigung ist die Tapferkeit, wie sie Platon nennt. Wir verwenden heute eher den Begriff Mut, der allgemeiner ist und der die Tapferkeit mit einbezieht. Der Brockhaus definiert den Mut als über der Norm liegenden Einsatz zur Überwindung drohender Gefahr, der sich in aktivem oder defensivem Verhalten äußern kann.
Tapferkeit bezeichnet die Unerschrockenheit oder Stärke.
Mut bedeutet nicht Freiheit von Angst.
Er ist vielmehr die Fähigkeit,
die Angst mit einem Willen zu überwinden,
der stärker und selbstloser ist als sie.
Mut ist vielleicht dem einen oder anderen als psychologische Eigenschaft angeboren. Er wird dann zur Tugend, wenn er einem selbstlosen Zweck dient – dem Nächsten oder dem Gemeinwohl. Und dieser Altruismus lässt oft jene über sich hinauswachsen, die ursprünglich nicht so mutig waren…
Mut ist deshalb auch die herausragende Tugend aller Heldinnen und Helden der Geschichte. Angst schützt den Menschen, sie ist ein wertvoller Instinkt. Doch sie stellt auch eine Probe dar, nicht die Angst soll uns beherrschen, sondern wir sie. Denn Mut dient nicht nur dazu, die Angst zu überwinden, sondern auch Kleinmut, Weichlichkeit, Lustlosigkeit… Man muss den instinkthaften Drang zum Faulsein, zum Genießen oder zum Fliehen überwinden.
Jede Tugend dient dazu, der niederen, trieb- und instinkthaften Persönlichkeitsanteile Herr zu werden.
Mut ist eine Anfangstugend, man braucht ihn, um etwas zu wagen und neu zu beginnen. Mut ist aber auch wichtig für das Weitermachen, die Ausdauer und Beständigkeit. Denn nur wenn wir immer und immer wieder einen neuen Anfang setzen, entsteht ein kontinuierlicher Prozess.
Aristoteles lehrt, dass die Tugend die Mitte zwischen zwei Lastern ist und dass der Mut erst dann ein solcher wird, wenn er im rechten Maß ausgeübt wird. Ein Zuviel wäre Tollkühnheit, das Zuwenig Feigheit. Der Feige lässt sich zu sehr von seiner Angst leiten, der Tollkühne geht sorglos mit seinem Leben oder den Gefahren um.
Thomas von Aquin sagt, dass die fortitudo (die Seelenstärke, der Mut) die Vorbedingung für jegliche Tugend und im Angesicht der Gefahr gleichzeitig eine von ihnen ist. So ist die Kardinaltugend Mut Dreh- und Angelpunkt (cardo) für die anderen Tugenden. Eine mutige Handlung zeugt von einem Mehr an Beherrschung, Würde und innerer Freiheit. Mut ist Risikobereitschaft und kann bis zur Selbstaufopferung gehen – im Dienste der Entwicklung der Menschheit. Der Mut zur Wahrheit ist wesentlich für den geistigen Fortschritt. Die Geschichte ist voll von Persönlichkeiten, die den Mut hatten, für ihre Überzeugungen und Wahrheiten sogar das Leben hinzugeben. Als Beispiele aus verschiedenen Jahrhunderten würdige ich Sokrates, Giordano Bruno und Sophie Scholl, denen meine tiefe Verehrung gilt. Mut im 21. Jahrhundert ist sicherlich auch Zivilcourage und „Bürgermut“. Den Mut zu haben, seine eigenen Überzeugungen auszusprechen, auch wenn sie nicht im „Mainstream“ liegen. In der U-Bahn die Stimme zu erheben, wenn jemand aus rassistischen Hintergründen angepöbelt wird. Nicht wegzulaufen, sondern Hilfe zu leisten oder zu holen, wenn ein Unfall geschieht.
Einen alkohol- oder drogenkranken Freund anzusprechen, um ihm Hilfe anzubieten. Alles in allem: nicht Vogel-Strauß spielen und den Kopf in den Sand stecken, sondern präsent sein und beherzt zupacken.
Mich fasziniert schon seit langem, dass im Wort „Demut“ auch Mut zu finden ist. Möglicherweise ist das die höchste Form von Mut: bescheiden und demütig sein zu können angesichts der Größe Gottes und der Schöpfung. Demut bedeutet, sich nicht als Nabel der Welt zu sehen oder als deren Zentrum, sondern seinen Platz im Weltganzen einzunehmen. Aber nicht unterwürfig oder schwach. Sondern Mut zu haben, das eigene Schicksal und die eigene Bestimmung auf sich zu nehmen und andere zu er-mut-igen!
1.) Forschen Sie nach den eigenen Ängsten. Spüren Sie deren Ursachen auf, schreiben Sie diese nieder. Denken Sie darüber nach und versuchen Sie nach und nach, dieser Ängste Herr zu werden.
2.) Erkennen Sie die kleinen, unscheinbaren Momente der Feigheit, Faulheit und Weichlichkeit im Alltag. Nehmen Sie sich jeden Tag eine Sache vor, wo Sie standhaft bleiben werden.
3.) Tauchen Sie nicht in der Masse unter, sondern üben Sie Zivilcourage und Bürgermut!
Ihre Gudrun Gutdeutsch (Autorin) &
Treffpunkt Philosophie Zürich
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