Tag für Tag und viel öfter als wir vermuten, bedienen wir uns unserer fünf Sinne. Sie sind eine Brücke zwischen uns selbst und der Außenwelt. Wenn wir aber die Aufmerksamkeit mit den Sinnen verbinden, werden sie auch zu einer Brücke nach innen.
Die Aufmerksamkeit ist ein Scheinwerfer. Mithilfe ihres Lichtes machen wir bisher Unsichtbares sichtbar. Sie bedeutet, wach zu sein und sorgsam mit allen Dingen umzugehen – nicht nur in besonderen Momenten, sondern auch im Alltag.
Der Tastsinn
Tasten ist die Reaktion der Sensibilität unserer Haut angesichts des Kontaktes mit verschiedenen Dingen. Er lässt uns Kälte wahrnehmen, Wärme, glatte Oberflächen oder Unebenheiten. Wenn wir uns mit diesen physischen Fähigkeiten begnügen, dann suchen wir meistens das Angenehme und Behagliche. Wir schenken den feinen Unterschieden zu wenig Aufmerksamkeit, die manche Dinge im Gegensatz zu anderen aufweisen. In diesem Fall ermöglicht uns Aufmerksamkeit, Details zu erkennen, feine Abstufungen, verschiedene Grade, indem sie unser für Empfindungen sensibles Bewusstsein erweitert, und zwar weit über das uns als angenehm oder unangenehm Erscheinende hinaus.
Wenn sich der Tastsinn bis zu einem gewissen Grad weiterentwickelt, verwandelt er sich in eine ganz spezielle Feinfühligkeit im Umgang mit Menschen. Wer „Takt“ hat, versteht die anderen und er begegnet jedem in einer Art und Weise, dass auch dieser ihn versteht. Wenn nun Aufmerksamkeit zu dieser Fähigkeit im Umgang mit Menschen hinzukommt, verwandelt sie sich in eine der größten Tugenden: die Diskretion.
Der Hörsinn
Hören erlaubt uns, Geräusche wahrzunehmen. Aber es besteht ein großer Unterschied zwischen hören und zuhören. Wenn wir wirklich zuhören, schenken wir dem Gehörten Aufmerksamkeit. Hören können alle, die über ein entwickeltes Hörorgan verfügen. Aber auch auf die Geräusche und Klänge aufmerksam zu sein, sie unterschieden zu können und als spezielle Formen von Ausdruck und Sprache zu interpretieren, ist das Ergebnis einer gut entwickelten Aufmerksamkeit. Dadurch können wir Lärm von Klängen unterschieden, einen gewöhnlichen Schlag ohne Rhythmus von der Harmonie einer schönen Musik.
Der Sehsinn
Sehen bedeutet, mithilfe der physischen Augen die Formen und Farben der Dinge wahrzunehmen. Aber es gibt auch feinere, subtile Dinge zu sehen, die das Vorhandensein von Aufmerksamkeit erfordern. Dann kann man wirklich beobachten, betrachten, darüber nachdenken, zu einem Urteil finden. Wirklich sehen zu können oder etwas mit Aufmerksamkeit zu betrachten, ist eine Art des Entdeckens, des Forschens, des Vordringens mit unseren inneren Augen weit hinter die Formen und Erscheinungen. Sehen führt zum Erkennen, Verstehen, Wissen. Um mit Aufmerksamkeit zu sehen, braucht es Licht, das heißt Intuition und die rechte Vorstellungskraft.
Der Geschmackssinn
Schmecken lässt uns den Geschmack der Dinge wahrnehmen. Aber diese Freude oder dieses Unbehagen, das im Prinzip in unserer Zunge wurzelt, dehnt sich auch bis in die Psyche aus und verwandelt sich dort in Wohlgefallen oder Ablehnung gegenüber Dingen oder Personen im Allgemeinen. Demzufolge bedeutet es, alles „nach unserem Geschmack“ zu tun, es aufgrund eines unmittelbaren Impulses unserer Gefühle zu tun. Trotzdem, der Geschmacksinn kann sich auch bis zu einem guten Geschmack ausweiten. Das geschieht immer dann, wenn auch Aufmerksamkeit hinzukommt. Dann wird er zu einem inneren Vermögen, zu der Fähigkeit, das Schöne zu suchen und wahrzunehmen und es vom Hässlichen und Unsinnigen unterscheiden zu können. Es liegt auf der Hand, dass auch das Leben mit einem guten Sinn für Geschmack einen anderen Sinn bekommt.
Der Geruchssinn
Riechen erlaubt uns, verschiedene Gerüche wahrzunehmen. Oft fällt es uns sehr schwer, sie zu bewerten. Wir wagen es höchstens, sie in angenehme und unangenehme einzuteilen, mit dem Risiko, nicht mit anderen Menschen übereinzustimmen. Aufmerksamkeit aber verfeinert und verwandelt den Geruchsinn, genauso wie wir umgangssprachlich zu sagen pflegen, dass jemand einen „guten Riecher“ hat, ein Gespür hat, um Dinge zu entdecken und auf ihren anscheinend verborgenen Grund zu kommen. Es entspricht fast der Fähigkeit, Dinge vorauszuahnen.. Darüber hinaus bedeutet ein guter Geruchsinn, sich mit der Luft und den Düften zu verbinden. Wieder ist es die Aufmerksamkeit, die uns den Duft anderer Wesen wahrnehmen lässt. Es gibt einen unendlich großen Unterschied zwischen bloßem Riechen und dem Erfassen der Quintessenz der Dinge.
Die Aufmerksamkeit hilft uns, von den äußeren Sinnen zum Sinn für Sensibilität, Verständnis, Einfühlungsvermögen und für Unterscheidung zu gelangen. Sie baut aus den Sinnen eine der vielen Brücken zur Weisheit.
Autorin: Delia Steinberg Guzmán
Literaturhinweis: Delia Steinberg Guzmán: Erkenne dich selbst, Eigenverlag NA – Treffpunkt Philosophie, 2006 ISBN 3-9501438-5-8
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