Wir befinden uns im Konzertsaal. Ein geschäftiges Treiben und Suchen nach den Plätzen ist noch im Gang, die Geräuschkulisse von vielen miteinander sprechenden Menschen liegt wie ein Klangteppich über dem Saal. Dann beginnen die Orchestermitglieder ihre Instrumente zu stimmen und übernehmen die klanglichen Eindrücke. Erwartungsvolle Spannung des Publikums und eine Aneinanderreihung von Dissonanzen, die das gleichzeitige „Einstimmen“ vieler Instrumente bewirkt.
Und dann wird es plötzlich still.
Es ist die erste Pause, noch bevor die Musik beginnt. Es ist die Stille, die uns auf das Kommende vorbereitet. Je länger sie andauert, desto deutlicher steigt die Spannung. Sie wird vom Auftrittsapplaus des Dirigenten unterbrochen, doch dann wieder Stille bis der Einsatz für das Orchester erfolgt.
So oder so ähnlich beginnt jedes Konzert: mit einer Pause. Sie bedeutet, dass jedes musikalische Ereignis Stille voraussetzt. Dann erst ertönt Musik und mit der Stille ist’s vorbei.
Doch auch im musikalischen Werk selbst finden wir sie immer wieder. Pausen sind ein notwendiges kompositorisches Mittel und erfüllen mehrere Aufgaben: musikalische Gliederung, Schweigen aller Stimmen, Schlussbildung, doch vor allem Atemholen – nicht nur für die Sänger und Bläser, auch für die Zuhörer.
Beobachten Sie einmal, wie sich Ihr Atem und auch der Herzrhythmus an das musikalische Stück, das Sie gerade hören, anpassen. Darin liegt genau der Zauber der Musik, dass sie in der Lage ist, uns in ganz verschiedene emotionale, aber auch physiologische Zustände zu bringen. Sie kann uns zur Aktivität mobilisieren – das ist der Moment, in dem Sie vielleicht tanzen möchten –, aber auch zur Ruhe, und es werden sich unser Herz- und Atemrhythmus verlangsamen.
Daher ist auch das Einhalten der Pausen so wichtig. Wer sie zu kurz oder zu lang nimmt, zerstört buchstäblich die Harmonie des Ganzen. Wir bekommen Gefühle des „Herausgerissen-Werdens“, der Atemlosigkeit, des Getriebenseins, der unerträglichen Spannung.
Es gibt sogar Musiker und Komponisten, die sagen, wichtiger als die Noten, die man spielt, seien die Noten, die man nicht spielt. Diese „nicht gespielten“ Noten werden durch Pausen angezeigt, und jedem Notenwert ist eine entsprechende Pause zugeordnet. Manchmal ist es fast unglaublich, wie viel in solch einer Pause passiert.
Die Musik folgt mit ihren Pausen den Gesetzen der Natur. Zwischen jedem Atemzug und jedem Herzschlag liegt eine kleine Pause. Nichts in der Natur entwickelt sich stetig und linear, alles unterliegt Schwankungen, Zyklen, Rhythmen. Nur wir Menschen vergessen das manchmal. Deshalb: Verachtet mir die Pause nicht!
Beitrag von Brigitte Schmidt
Hat Dir dieser Beitrag gefallen? Hier geht es zur Newsletter-Anmeldung. Gerne senden wir Dir unsere Beiträge und Infos 1x pro Monat per Email.
Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen
Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.